Die interkulturellen Grenzen der "persönlichen Glasblase"
Diese Woche gibt es einen weiteren Gastbeitrag meiner Kollegin und Freundin Sònia aus Katalonien, die über Ihre ersten interkulturellen Erfahrungen in Wien berichtet und wie diese mit dem Deutsch Lernen zusammenhängen.

Meine Erfahrung beim Erlernen einer Sprache unter dem Einfluss großer sozialer Distanz
Als ich neu in Wien ankam und noch für mein ELE-Zertifikat (Spanisch als Fremdsprache) lernte, machte eine Dozentin im Unterricht die folgende Aussage:
"Es ist viel einfacher, in Spanien Spanisch zu lernen als in Österreich Deutsch".
Darüber habe ich lange nachgedacht. Ich wollte den
Grund für diese Aussage wissen. Sie hat argumentiert, dass es in Spanien viel
einfacher ist, die Leute in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf der
Straße sprechen zu hören und, dass es dort auch viel mehr Möglichkeiten für
soziale Interaktion gibt. Spanisch hört man in einer Vielzahl von miteinander
verwobenen Gesprächen, die in unterschiedlichen Kontexten stattfinden, während
Deutsch in Österreich weniger gehört wird, weil die Kultur nicht so extrovertiert
ist wie in Spanien.Das macht jetzt viel Sinn, obwohl ich als Neuankömmling einen der wichtigsten
kulturellen Unterschiede zwischen Österreich und Spanien noch nicht erlebt hatte:
die Distanz und die soziale Interaktion. Ich würde bald feststellen, dass dies
ein interkultureller Aspekt ist, der große Unterschiede zwischen den beiden
Ländern macht.
Die "persönlichen Glasblasen"
Relativ schnell habe ich die soziale Distanz bemerkt; besonders beim Grüßen und Verabschieden. Gewöhnt an die Nähe von zwei Küsschen auf die Wange und Umarmungen, wurde mir schnell klar, dass in der österreichischen Kultur das Händeschütteln die gängige Form der Begrüßung und Verabschiedung ist. Umarmungen sind Freundschaften vorbehalten, wenn bereits genug Vertrauen vorhanden ist, um die unsichtbare "gläserne Blase" (das spanische Konzept der – "burbujas de cristal") zu durchbrechen. Dieser Begriff war für mich sehr praktisch, um mich daran zu erinnern, dass eine gewisse Distanz immer empfehlenswert ist.
Diese Erfahrung machte ich nicht nur im direkten Kontakt mit Menschen, sondern auch in der Art und Weise, wie Sprache in vielen Bereichen des Alltagslebens verwendet wird.
Aus diesem Grund hört man in Österreich weniger Deutsch als man in Spanien Spanisch hört. Es gibt ungeschriebene Verhaltensregeln, die es in Bezug auf soziale Distanz zu beachten gilt. Das Ergebnis ist eine Kultur mit einem hohen Maß an Förmlichkeit und weniger Nähe, im Gegensatz zu der spanischen Kultur, die als zugänglicher gilt und informeller wirkt.
Abschließend kann man sagen
Deutsch in Österreich zu lernen war für mich eine sehr große Herausforderung. Nicht nur wegen der erwähnten kulturellen Unterschiede, sondern auch wegen der Vielzahl an Dialekten. Und nach Jahren in der österreichischen Hauptstadt wurde mir klar, wie viel Wahrheit in der Aussage meiner ELE-Dozentin steckte.
Wie recht sie hatte, und wie viele spannende Dimensionen die Interkulturalität hat! Es ist wirklich erstaunlich, wie soziale Distanz den Spracherwerb und das Maß der Sprachverwendung beeinflussen kann. Und meine eigene Erfahrung ist ein gutes Beispiel dafür.
PS: Hier gehts zur spanischen Version des Artikels - für etwas sprachliche Diversität :)
Sònia Lluch Serrano

📍Barcelona 🌞
Geboren in Barcelona mit viel internationaler Erfahrung. Journalistin spezialisiert
auf Kommunikation und digitale Inhalte. Nebenbei, Lehrerin für Spanisch als
Fremdsprache (Español como Lengua Extranjera - ELE).
Bevor ich mich in meiner Heimatstadt niederließ, hatte ich das Glück, eine lange Zeit in der schönen Stadt Wien zu leben. In einer so anderen Kultur zu leben und die Möglichkeit zu haben, eine andere Sprache zu lernen, war sehr bereichernd für mich, da ich es liebe, neue Erfahrungen zu machen und Erinnerungen zu sammeln.
In meiner Freizeit schreibe und lese ich gerne und habe eine große Leidenschaft für Interkulturalität und Sprachen. Auch Ausflüge in die Berge und ans Meer genieße ich sehr – besonders zusammen mit meinen Freunden.
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Bis bald!
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